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Alpengletscher verlieren deutlich an Masse

Eine neue Studie der Bayerischen Akademie der Wissenschaften zeigt, dass die Alpengletscher Hintereisferner, Kesselwandferner und Vernagtferner von 1981 bis 2010 stärkere Massenverluste erlitten haben, als es für das Referenzklima in diesem Zeitraum anzunehmen war. Der Rückgang der drei Gletscher wird sich auch in Zukunft fortsetzen.

Die im Magazin „Frontiers in Earth Science“ publizierte Studie analysiert die Reaktion von Gletschern in Relation zu ihrem Zustand während eines aktuellen Referenzklimas, d. h. dem mittleren klimatischen Zustand in einer festgelegten Zeitspanne. Die Wissenschaftler untersuchten dazu die Massenbilanz, also die jährliche Zu- und Abnahme der Gletschermasse, in Abhängigkeit von den dokumentierten Änderungen der Höhen- und Flächenausdehnung für die Gletscher Hintereisferner, Kesselwandferner und Vernagtferner im österreichischen Ötztal. Das Team konnte die zu erwartenden Massenverluste der Gletscher für die Bedingungen eines mittleren Referenzklimas (ausgewählter Zeitraum: 1981–2010) berechnen. Im Verhältnis zu diesem mittleren „Standardverlust“ haben die Gletscher von 1981 bis 2010 um 31% mehr an Masse verloren als bislang angenommen. Die Studie wurde finanziert vom Bayerischen Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz.

Gletscher sind empfindliche Indikatoren des Klimawandels. Allerdings ist ihre Sensitivität nicht unmittelbar an das Klima gekoppelt – ähnlich einem schweren Basketball, der durch eine Feder mit einem Tennisball verbunden ist. Bewegt sich der Tennisball (Klimaschwankung), führt das zu einer verzögerten und langsameren Bewegung des Basketballs (Gletscherreaktion). Selbst wenn der Tennisball wieder stoppt, bewegt sich der Basketball noch einige Zeit weiter.

Die Untersuchung der Gletscherausdehnung seit 1850, also etwa vom Ende der Kleinen Eiszeit an, in Relation zu den mittleren Klimaverhältnissen zwischen 1981 und 2010 verdeutlicht die fortlaufende Veränderung der einzelnen Gletscher bis heute. Der Hintereisferner, charakterisiert durch eine lange Gletscherzunge, erstreckt sich über eine große Höhendifferenz. Im Rahmen der Studie zeigte sich, dass dieser Gletscher am weitesten von seinem Gleichgewichtszustand entfernt ist und hauptsächlich mit einem Rückgang seiner Zunge reagiert, der sehr wahrscheinlich weitergehen wird. Der Kesselwandferner, der kleinste der drei Gletscher, zeigte ebenfalls einen starken Rückgang bezüglich seiner Länge. Allerdings konnte dieser Gletscher in der Vergangenheit auch mit einem Anwachsen auf kürzere klimatische Änderungen reagieren: So stieß er zwischen 1971 und 1985 um etwa 240 m vor. Für andauernde klimatische Verhältnisse wie im Referenzzeitraum 1981–2010 könnte sich dieser Gletscher recht schnell stabilisieren. Der Vernagtferner war durch schnelle Vorstöße in der Vergangenheit (etwa um 1850 und um 1900) den klimatischen Bedingungen in tieferen Lagen ausgesetzt, wodurch er erhebliche Mengen seiner Masse und in den 1970er Jahren auch seine Gletscherzunge verloren hat. Daher reagiert er inzwischen vornehmlich mit einer Ausdünnung der verbliebenen Eisflächen. Diese führte zu einem Zerfall des Gletschers, der sich auch in Zukunft fortsetzen wird.

Studie: 

Charalampidis C, Fischer A, Kuhn M, Lambrecht A, Mayer C, Thomaidis K and Weber M (2018). Mass-Budget Anomalies and Geometry Signals of Three Austrian Glaciers. Front. Earth Sci. 6:218. doi: 10.3389/feart.2018.00218: URL: www.frontiersin.org/articles/10.3389/feart.2018.00218/full

Kontakt:

Dr. Charalampos Charalampidis
Erdmessung und Glaziologie
Bayerische Akademie der Wissenschaften
Alfons-Goppel-Str. 11
80539 München
Telefon: +49 (0)89 23031-1195
babis.charalamp@badw.de

Pressebilder:

1) Der Vernagtferner im österreichischen Ötztal, Foto: Christoph Mayer

2) Veränderung der ausgewählten Gletscher (Hintereisferner, Kesselwandferner und Vernagtferner), Abbildung: BEV 2006.

 

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